Verbindliche Auskunft unverbindlich?

Die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 ff. AO ist ein Instrument, mit dem Unternehmer im Vorfeld klären können, wie das Finanzamt einen bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalt beurteilt. So kann sich ein Unternehmer darauf einstellen, was der Fiskus von ihm erwartet. Das ist vor allem in Bereichen wichtig, in denen das Steuerrecht so kompliziert oder unverständlich ist, dass die Lektüre des Gesetzes allein dem Unternehmer nicht weiterhilft.

Erhebliche steuerliche Auswirkungen, die ein Interesse an einer verbindlichen Auskunft begründen, sind vor allem bei Umstrukturierungen von Unternehmen und Unternehmensgruppen zu finden. Im Umwandlungssteuerrecht gibt es Vorschriften, die es von diffizilen Voraussetzungen abhängig machen, ob die erwarteten Gewinne der Zukunft auf einen Schlag anlässlich einer Umwandlung besteuert werden oder erst dann, wenn sie auch erwirtschaftet werden. Wenn Steuern auf Gewinne gezahlt werden müssen, die noch nicht realisiert wurden und vielleicht auch nie realisiert werden, wäre das ein Hindernis für die Umstrukturierung. Schon das bloße Risiko kann den Unternehmer dazu bewegen, von der Umstrukturierung Abstand zu nehmen. Um das Risiko zu minimieren, kann die Umstrukturierung im Vorfeld mit dem Finanzamt abgestimmt werden.

Auch im Umsatzsteuerrecht und Zollrecht ist es wichtig, die richtige steuerliche und zolltarifliche Behandlung zu kennen, um die Preise zutreffend und kostendeckend kalkulieren zu können. Dazu gibt es eine Zolltarifauskunft, die im Bereich der Zölle verbindlich ist, aber auch für die Umsatzsteuer Bedeutung hat: Ob beispielsweise ein Importeur auf Holzhackschnitzel 7 oder 19 Prozent Einfuhr-Umsatzsteuer zahlen muss, richtet sich danach, wie sie in den Zolltarif eingereiht werden, und das wiederum danach, ob die Holzhackschnitzel aus Holzabfällen oder aus frisch gefällten Bäumen gewonnen werden und wie groß sie sind.

Wirkung der verbindlichen Auskunft

Sobald eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamtes vorliegt, ist das Finanzamt daran gebunden. Wenn der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit dem Sachverhalt übereinstimmt, der der verbindlichen Auskunft zugrunde liegt, kann das Finanzamt nachträglich – in der Betriebsprüfung – seine Rechtsauffassung nicht mehr von sich aus ändern. Insoweit besteht Rechtssicherheit.

Unverbindlich und wertlos

Die verbindliche Auskunft ist allerdings unverbindlich und damit wertlos, wenn das Finanzamt mit der Auskunfterteilung gegen höherrangiges Recht verstößt. Dabei ist insbesondere das Beihilfeverbot der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu berücksichtigen. Das Finanzamt darf einem Unternehmen keine „selektive Beihilfe“ gewähren, indem es zusichert, eine Umstrukturierung auf eine bestimmte Art und Weise zu behandeln, die sich nachträglich als unzutreffend herausstellt.

Kein Vertrauensschutz

Das Beihilfeverbot richtet sich an die Finanzverwaltung, nicht an die Unternehmen. Wenn die Finanzverwaltung eine verbindliche Auskunft erteilt, müsste sie das eigentlich vorab mit der Europäischen Kommission abstimmen. Das geschieht in der Praxis nicht. Dieses Versäumnis geht zulasten der Unternehmen, die sich auf eine verbindliche Auskunft verlassen, wenn das Finanzamt die verbindliche Auskunft später auf Veranlassung der Europäischen Kommission zurücknimmt. Vertrauensschutz wird nicht gewährt.

Siehe auch: http://beihilfen-blog.eu/61-berliner-steuergespraech-verbindliche-auskunft/

„Zweites Bürokratieentlastungsgesetz“ beschlossen

Der Bundestag hat das „Zweite Bürokratieentlastungsgesetz“ beschlossen, und der Bundesrat hat zugestimmt. In Kürze wird der Bundespräsident das Gesetz ausfertigen und im Bundesgesetzblatt veröffentlichen lassen.

Große Erwartungen, wenig Inhalt

Der Titel des Gesetzes schafft große Erwartungen. Gemessen daran ist der Inhalt enttäuschend. Wesentliche Punkte sind:

Erhöhung von Betragsgrenzen von 150 auf 250 Euro

In den Ertragsteuern und in der Umsatzsteuer wird eine Kleinbetragsgrenze von 150 auf 250 Euro erhöht.

Für ertragsteuerliche Zwecke ist ein Verzeichnis des Anlagevermögens zu führen. Daraus ergeben sich Abschreibungen. Auch Gegenstände des Anlagevermögens mit Anschaffungskosten von weniger als 410 Euro netto, die sofort voll abgeschrieben werden dürfen und dann nur noch einen Buchwert von Null haben, müssen in dieses Verzeichnis aufgenommen werden. Ausgenommen sind künftig Gegenstände mit Anschaffungskosten von weniger als 250 Euro netto. Die Anschaffungskosten für diese Gegenstände dürfen sofort bei Anschaffung als Aufwand gebucht werden. Der Verbleib dieser Gegenstände braucht nicht mehr im Verzeichnis des Anlagevermögens nachgewiesen zu werden.

Hinweis: Das sog. „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ ändert die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter ab 2018 von 410 Euro netto auf 800 Euro netto.

Umsatzsteuerlich gilt: Ein Unternehmer kann nur dann Vorsteuer aus Eingangsrechnungen ziehen, wenn diese inhaltlich den Formerfordernissen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen. Kleinbetragsrechnungen brauchen jedoch keine Rechnungsnummer, keine Steuernummer und keine Angaben zum Leistungsempfänger zu enthalten, und der Nettobetrag und der Umsatzsteuerbetrag brauchen nicht in Euro angegeben zu werden (Bruttobetrag in Euro und Umsatzsteuersatz genügt). Das vereinfacht die Abrechnung von Spesen und Auslagen. Die Erhöhung von 150 auf 250 Euro entspricht einem Inflationsausgleich.

Die ertragsteuerliche Regelung tritt zum 1. Januar 2018 in Kraft, die umsatzsteuerliche Regelung rückwirkend zum 1. Januar 2017.

Lieferschein und Rechnung: Wegfall von Redundanzen

Lieferscheine enthalten Angaben, die für die Buchhaltung von Bedeutung sind. Bisher sind Lieferscheine auch dann als Buchhaltungsunterlagen zehn Jahre lang aufzubewahren, wenn sich die gleichen Angaben aus den dazugehörigen Rechnungen ergeben. Künftig soll auf die Aufbewahrung von Lieferscheinen verzichtet werden können, wenn deren Inhalt eingangs- bzw. ausgangsseitig durch die entsprechende Rechnung dokumentiert ist.

Voraussetzung ist allerdings, dass die Angaben auf dem Lieferschein in vollem Umfang auf der Rechnung wiederholt werden. Wenn der Lieferschein darüber hinaus Inhalte aufweist, bleibt er aufbewahrungspflichtig.

Sozialversicherungsrecht

Eine echte Vereinfachung, die über einen Inflationsausgleich hinaus geht, gibt es im Sozialversicherungsrecht. Seit 2006 müssen Arbeitgeber die Beiträge für einen Beschäftigungsmonat schon mehrere Tage vor dem Ende des Monats abführen. Das gilt auch für Arbeitgeber, die monatlich unterschiedliche Löhne an ihre Beschäftigten zahlen. Diese müssen also Beiträge, die sich aus dem Arbeitsentgelt berechnen, zu einem Zeitpunkt abführen, zu dem noch nicht feststeht, wie hoch das Entgelt des Arbeitnehmers für diesen Monat tatsächlich sein wird. Dieses unpraktikable Verfahren wird dahin geregelt, dass die Zahlung sich künftig an den Beiträgen des Vormonats orientieren darf. Die Differenz zu den tatsächlich richtigen Werten, die später ermittelt wird, kann dann im Folgemonat verrechnet werden.

Lohnsteuer

Im Bereich der Lohnsteuer erfolgt ein Ausgleich der allgemeinen Preissteigerung und der Anhebung des Mindestlohns dadurch, dass bestimmte Beträge geringfügig erhöht werden (Erhöhung des Tageslohn-Grenzwerts für die Pauschalierung der Lohnsteuer bei kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern von 68 auf 72 Euro; Anhebung der Grenze zur vierteljährlichen Abgabe der Lohnsteuer-Anmeldungen von 4.000 auf 5.000 Euro).

Verlag C.H. Beck: Materialien zum Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz

Investmentfonds im Abseits

Einmal im Jahrzehnt erfolgt ein Systemwechsel in der Besteuerung von Kapitalvermögen. Zum 1. Januar 2018 tritt eine Reform des Investmentsteuergesetzes in Kraft. Neun Jahre nach Einführung der Abgeltungsteuer und 18 Jahre nach dem Ende des Anrechnungsverfahrens ändern sich damit mal wieder die Rahmenbedingungen für Kapitalanlagen grundlegend.

Eckpunkte

Mit dem Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) vom 19. Juli 2016 reagiert der Gesetzgeber auf die fortschreitende Internationalisierung der Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen. Die Investmentsteuerreform soll die Besteuerung von Investmentfonds vereinfachen und Steuerschlupflöcher schließen. Sowohl aktiv gemanagte Wertpapierfonds und Indexfonds (ETFs) als auch offene Immobilienfonds fallen unter die Neuregelungen.

Bisher wurden Investmentfonds transparent besteuert. Die enthaltenen Wertpapiere wurden den einzelnen Anlegern gedanklich zu Bruchteilen zugerechnet. Gewinnausschüttungen, Zinszahlungen, Mieterträge, Veräußerungsgewinne und anzurechnende Steuern hat die Fondsgesellschaft verwaltet und diese Kennziffern so detailliert veröffentlicht, dass die Depotbank für jeden Anleger eine Steuerbescheinigung ausstellen konnte. Der Anleger hatte bei einem Investment der Fondsgesellschaft in Wertpapiere Steuern so zu zahlen, als ob er direkt selbst in die Wertpapiere investiert hätte. Dadurch wurden Investmentfonds der Direktanlage steuerlich weitgehend gleichgestellt. Jeder Anleger hatte die Möglichkeit, sich nach rein wirtschaftlichen Kriterien für Investmentfonds oder für eine Direktanlage zu entscheiden.

Künftig erfolgt eine zweistufige Besteuerung. Die Gewinnausschüttungen, Zinszahlungen, Mieterträge, Veräußerungsgewinne und anzurechnenden Steuern werden weiterhin von der Fondsgesellschaft verwaltet, aber nicht mehr an die Depotbank gemeldet, sondern ans Finanzamt. Das Finanzamt erhebt dann Körperschaftsteuer auf den Gewinn. Zusätzlich führt die Depotbank jährlich Abgeltungsteuer auf eine fiktive Rendite des Fondsanteils ab, die bei Veräußerung des Fondsanteils durch Abgeltungsteuer auf die tatsächliche Wertentwicklung ersetzt wird. Um die Doppelbesteuerung abzumildern, wird ein Teil der Erträge steuerfrei gestellt. Effektiv kommen so zu den 15% Körperschaftsteuer noch 5% bis 25% Abgeltungsteuer hinzu.

Effekte für Privatanleger

Die Entscheidung für Investmentfonds oder für eine Direktanlage muss künftig auch unter steuerlichen Gesichtspunkten getroffen werden. Die Direktanlage ist ab 2018 in der Regel steuerlich günstiger. Der Effekt auf die Rendite nach Steuern beläuft sich in einem typischen Fall (Aktienfonds, ausschüttend, Rendite vor Steuern 6% p.a.) auf 0,3 Prozentpunkte jährlich — statt 4,5% Rendite nach Steuern kommen nur noch 4,2% beim Anleger an.

Noch günstiger als die Direktanlage in Wertpapiere ist es aus steuerlicher Sicht, in Anleihen zu investieren, also einem Unternehmen ein Darlehen zu gewähren. Als Privatanleger zahlt man zwar in beiden Fällen 25% Abgeltungsteuer. Das Unternehmen kann aber seine operativen Gewinne in größerem Umfang über Zinszahlungen an die Kapitalgeber auskehren als über Gewinnausschüttungen. Denn die Zinszahlungen mindern die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, die das Unternehmen zahlen muss. Diese Benachteiligung von Aktien und Aktienfonds widerspricht dem erklärten Ziel der Politik, Sparen für die Altersvorsorge und Eigenkapital-Investitionen attraktiv zu gestalten.

Betriebsvermögen oder Privatvermögen?

DAXUnternehmer müssen entscheiden, ob sie einen gemischt nutzbaren Gegenstand im Betriebsvermögen oder im Privatvermögen halten. Besonders praxisrelevant ist das bei Kraftfahrzeugen, mit denen Privatfahrten, Geschäftsreisen und der tägliche Weg zur Arbeit zurückgelegt werden.

Bei Wertpapieren und bei manchen Immobilien ist weniger offensichtlich, ob die tatsächliche Nutzung für einen unternehmerischen oder einen nicht-unternehmerischen Zweck erfolgt. Hier kommt es auch darauf an, welche Nutzungen möglich sind und beabsichtigt werden. Gerade dann, wenn Wertschwankungen zu erwarten sind, kann die Entscheidung für Betriebsvermögen oder für Privatvermögen große steuerliche Auswirkungen haben. Grundsatz ist: Wertänderungen im Betriebsvermögen werden steuerlich nahezu immer berücksichtigt, Wertänderungen im Privatvermögen nur unter bestimmten Umständen. Steuerlich günstig ist es also, Gegenstände mit Wertsteigerungspotential im Privatvermögen zu halten, Gegenstände mit Verlustrisiko im Betriebsvermögen.

Diese Rechtslage lädt zur Steuergestaltung ein. Um den Gestaltungsspielraum der Steuerpflichtigen nicht ausufern zu lassen, muss die Zuordnung zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen zeitnah dokumentiert werden, und erst recht ein Wechsel vom Betriebsvermögen ins Privatvermögen („Entnahme“) oder umgekehrt („Einlage“). Einen Gegenstand nachträglich (rückwirkend) zuzuordnen, um Verluste steuerlich geltend zu machen oder Gewinne der Besteuerung zu entziehen, wird nicht anerkannt.

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 29. September 2016 konturiert, wie klar und eindeutig die Dokumentation sein muss. Zu entscheiden hatte er in einem Fall, in dem der Steuerpflichtige Wertpapiere aus seinem Betriebsvermögen ins Privatvermögen entnommen haben wollte. Über die bisher anerkannten Anforderungen hinaus verlangt der Bundesfinanzhof, dass der Steuerpflichtige „die naheliegenden steuerlichen Folgerungen aus der Entnahme“ zieht – und zwar vollständig. Im entschiedenen Fall genügte es nicht, dass der Steuerpflichtige dem Finanzamt mitgeteilt hat, dass er die Dividenden aus den Wertpapieren künftig als Einkünfte aus Kapitalvermögen (Privatvermögen) versteuere. Zusätzlich hätte er auch in seinem Betriebsvermögen die Entnahme richtig buchen müssen.

BFH, Urteil vom 29. September 2016, Aktenzeichen III R 42/13 mit Anmerkung Kleinmanns, BB 2017, 1266

Auslandsgesellschaften im Visier der Finanzämter

Münzen aus Malta
Münzen aus Malta, „Malta – Euros (Coins)“ von marfis75 on flickr steht unter der Lizenz CC-BY-SA 2.0

In den vergangenen Jahren haben die Finanzämter vielfältige Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung ergriffen. Whistleblower haben der deutschen Finanzverwaltung Listen von Kunden Schweizer und Luxemburger Banken zugespielt, und der Datenaustausch zwischen deutschen und ausländischen Finanzämtern wurde verstärkt. Zwischenergebnis: Kaum einer, der in Deutschland steuerpflichtig ist, hat noch Schwarzgeld in den Nachbarländern.

Ausweitung infolge der Panama-Papers

Die sog. Panama-Papers weiteten das Tätigkeitsfeld der Finanzverwaltung aus. Seit 2016 untersuchen die Finanzämter systematisch auch Auslandsgesellschaften mit deutschen Anteilseignern. Der Fokus liegt hier auf dem ferneren Ausland: beispielsweise Panama, verschiedene Karibikinseln, Zypern und Malta. Diese Staaten stehen auf einer „Schwarzen Liste“ – wer dorthin Geschäftsbeziehungen pflegt, macht sich aus Sicht vieler Steuerfahnder verdächtig.

Anzeigepflicht

Wer an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, muss das dem Finanzamt mitteilen. Auch wenn keine Einkünfte aus der Beteiligung resultieren, auch wenn keine Steuern entstehen, die hinterzogen werden könnten. Das Finanzamt möchte in die Lage versetzt werden, sich selbst einen Überblick über die Vermögensverhältnisse „seiner“ Steuerpflichtigen zu verschaffen. Das ergibt sich aus § 138 Abs. 2 der Abgabenordnung. Eine Beteiligung nicht anzuzeigen ist ordnungswidrig. Finanzminister Norbert Walter-Borjans aus Nordrhein-Westfalen hat angekündigt, ab dem 1. Juli 2017 Geldbußen zu verhängen (SZ).

Ausblick

Wir erwarten, dass demnächst Länder wie Singapur, Hongkong und das übrige China in den Fokus von Betriebsprüfung und Steuerfahndung geraten. Zahlungsströme an der Grenze zwischen unternehmerischer und privater Tätigkeit bergen ein hohes Risiko, von der Finanzverwaltung als Steuerhinterziehung eingestuft zu werden. Hier sind eine saubere Dokumentation und eine klare Darstellung gegenüber dem Finanzamt wichtig.

Vorzeitige Anforderung einer Steuererklärung ohne Begründung

Wenn man eine Steuererklärung verspätet abgibt, kann das Finanzamt einen Verspätungszuschlag festsetzen. Aber was ist „verspätet“? Dazu hat der Bundesfinanzhof sich geäußert.
Steuerbescheid

Grundregel: 31. Mai / 31. Dezember des Folgejahres

Der Gesetzgeber sieht vor, dass die Einkommensteuererklärung und andere jährlich wiederkehrende Steuererklärungen bis zum 31. Mai des Folgejahres abgegeben werden müssen. Für Steuerpflichtige, die sich durch einen Steuerberater vertreten lassen, wird diese Frist bis zum 31. Dezember verlängert. Das ergibt Sinn, denn sonst würde der Steuerberater bis März oder April auf die Unterlagen von Kreditinstituten und Krankenkassen warten, im Mai alle Steuererklärungen gleichzeitig anfertigen und hätte von Juni bis Dezember nichts zu tun.

Vorzeitige Anforderung

Gelegentlich kommt Post vom Finanzamt: Im „Interesse einer ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens“ oder zur „gleichmäßigen Auslastung“ der Finanzbeamten wird die Steuererklärung vorzeitig angefordert. Nicht zum 31. Dezember, sondern typischerweise schon im Juli, August oder September. Dabei handelt es sich um eine vorzeitige Anforderung, die im Ermessen des Finanzamtes steht. Ermessen bedeutet: Das Finanzamt hat einen Entscheidungsspielraum, muss aber „ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens“ einhalten (§ 5 der Abgabenordnung).

Ein Textbaustein ist keine Begründung

Ob das Finanzamt sich an diesen Rahmen hält, kann nur beurteilt werden, wenn es eine Begründung für die vorzeitige Anforderung gibt. Der Bundesfinanzhof hat festgestellt, dass jedenfalls der Textbaustein „Interesse einer ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens“ keine brauchbare Begründung ist. Das Finanzamt darf in diesem Fall keinen Verspätungszuschlag festsetzen, wenn man den Termin im Juli, August oder September ignoriert. Wichtig ist nur, dass die Steuererklärung rechtzeitig vor dem 31. Dezember eingeht.

Neue Rechtslage ab 2018

Für die Steuererklärungen ab 2018 hat der Gesetzgeber die Rechtslage geändert. Er gewährt grundsätzlich zwei Monate mehr Zeit für die Steuererklärungen. Die Steuererklärungen für 2018 brauchen erst zum 31. Juli 2019 bzw. 2. März 2020 (der 29. Februar 2020 ist ein Samstag) eingereicht zu werden, im Gegenzug werden die Finanzämter häufiger als bisher Verspätungszuschläge festsetzen dürfen.

BFH, Urteil vom 17. Januar 2017, Aktenzeichen VIII R 52/14

Wer sich aufs Finanzamt verlässt …

… kann böse überrascht werden. So etwa ein Kioskbesitzer, für den wir vor dem Finanzgericht tätig geworden sind. Vor vielen, vielen Jahren (bei der Deutschen Bundespost und ihrem Nachfolgeunternehmen) waren Telefonate ins Ausland noch richtig teuer. Eines der ersten Modelle, Wettbewerb auf diesem Markt zu schaffen, war das sog. „Call-Through“-Verfahren. Der Kunde rief eine Telefonnummer eines ausländischen Telekommunikationsunternehmens in Frankfurt an, gab einen Code ein und wurde daraufhin mit dem Gesprächspartner im Ausland verbunden. Unser Kioskbesitzer hatte vor vielen Jahren begonnen, Telefonkarten mit solchen Codes zu verkaufen, und seine Provision aus diesen Verkäufen der Umsatzsteuer unterworfen. Das Finanzamt erklärte 2002 im Rahmen einer Betriebsprüfung, das sei doch gar nicht nötig, wenn überhaupt, sei Umsatzsteuer im Ausland abzuführen. Der Kioskbesitzer freute sich und stellte seine Buchhaltung und seine Kalkulation entsprechend um.

Im Jahr 2013 fand eine weitere Betriebsprüfung statt, diesmal mit gegenteiligem Ergebnis. Das Finanzamt forderte Umsatzsteuer, und der Kioskbesitzer, diesmal weniger erfreut, stellte seine Buchhaltung und seine Kalkulation für die Zukunft erneut um. Das genügte dem Finanzamt aber nicht, es wollte auch für die Vergangenheit Steuern nachgezahlt haben.

Wir haben den Fall geprüft und festgestellt: Die Umsätze sind durchaus steuerpflichtig in Deutschland. Das war nicht ganz eindeutig, aber im Ergebnis hat das Finanzamt 2002 einen Fehler gemacht, den es 2013 korrigieren wollte. Wir meinen, dass sich ein Unternehmer auf eine Auskunft vom Finanzamt verlassen darf – und das Finanzamt sollte solch eine Auskunft nur für die Zukunft widerrufen dürfen, wenn es einen Irrtum erkennt. Dafür haben wir eine Klage beim Finanzgericht erhoben.

Viel Hoffnung machen können wir unserem Mandanten leider nicht. Nach gesetzlichen Regelungen ist eine Zusage im Rahmen der Betriebsprüfung nur dann verbindlich, wenn sie genau geregelte Formvorschriften einhält (§§ 204 ff. der Abgabenordnung). Dass das Finanzamt etwas klar und eindeutig schriftlich niederlegt, reicht dem Bundesfinanzhof üblicherweise nicht aus.

Steuern sparen beim Wohnungskauf

Grunderwerbsteuer ist aus Sicht der Volkswirte eine der lästigsten Steuerarten: Sie wird erhoben ohne Rücksicht auf Gewinn, ohne Wertschöpfung, hemmt den Handel mit Immobilien und behindert Umstrukturierungen sogar in Unternehmensgruppen, die auf den ersten Blick gar nichts mit Immobilien zu tun haben. Seit die Bundesländer den Steuersatz frei bestimmen können, ist er mancherorts von 3,5 % auf 6,5 % gestiegen, und das, obwohl die Immobilien schon ohne Grunderwerbsteuer immer teurer werden.

Zumindest bei Kaufverträgen über einzelne Eigentumswohnungen oder Teileigentum besteht die Chance, ein paar hundert Euro zu sparen, wenn man den Kaufvertrag richtig formuliert. Bekannt ist bei fast allen Notaren, dass die Einbauküche aus dem Kaufpreis herausgerechnet werden kann. Aus einer Wohnung für 150.000 Euro mit hochwertiger gebrauchter Einbauküche (6,5 % Steuer: 9.750 Euro) wird so eine Wohnung für 147.000 Euro (6,5 % Steuer: 9.555 Euro) plus eine Einbauküche für 3.000 Euro (steuerfrei). Wie der Bundesfinanzhof entschieden hat, gilt das nicht nur für Einbauküchen und sonstiges Zubehör, sondern auch für den Anteil an der Instandhaltungsrücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft. Wie hoch die Instandhaltungsrücklage ist, lässt sich der letzten Verwalterabrechnung entnehmen.

Anders verhält es sich beim Erwerb einer Eigentumswohnung in der Zwangsversteigerung. Hier unterfällt der ganze Kaufpreis, das sog. Meistgebot, der Grunderwerbsteuer. Die Instandhaltungsrücklage wird nicht abgezogen. Ob der Bundesfinanzhof irgendwann diese widersprüchliche Behandlung auflösen wird – dann sicher in Richtung Steuerpflicht der Instandhaltungsrücklage –, ist offen. Bis dahin ist zu empfehlen, die Instandhaltungsrücklage offen im Wohnungskaufvertrag auszuweisen.

BFH, Urteil vom 9. Oktober 1991, Aktenzeichen II R 20/89
BFH, Urteil vom 12. März 2016, Aktenzeichen II R 27/14

Nachtrag

Inzwischen ist ein neues Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Das Finanzgericht Köln hat die Instandhaltungsrücklage für steuerpflichtig gehalten. Dagegen hat die Klägerin Revision eingelegt.

Finanzgericht Köln, Urteil vom 17. Oktober 2017, Aktenzeichen 5 K 2297/16
BFH, Verfahrensmitteilung zu Aktenzeichen II R 49/17