Verbindliche Auskunft unverbindlich?

Die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 ff. AO ist ein Instrument, mit dem Unternehmer im Vorfeld klären können, wie das Finanzamt einen bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalt beurteilt. So kann sich ein Unternehmer darauf einstellen, was der Fiskus von ihm erwartet. Das ist vor allem in Bereichen wichtig, in denen das Steuerrecht so kompliziert oder unverständlich ist, dass die Lektüre des Gesetzes allein dem Unternehmer nicht weiterhilft.

Erhebliche steuerliche Auswirkungen, die ein Interesse an einer verbindlichen Auskunft begründen, sind vor allem bei Umstrukturierungen von Unternehmen und Unternehmensgruppen zu finden. Im Umwandlungssteuerrecht gibt es Vorschriften, die es von diffizilen Voraussetzungen abhängig machen, ob die erwarteten Gewinne der Zukunft auf einen Schlag anlässlich einer Umwandlung besteuert werden oder erst dann, wenn sie auch erwirtschaftet werden. Wenn Steuern auf Gewinne gezahlt werden müssen, die noch nicht realisiert wurden und vielleicht auch nie realisiert werden, wäre das ein Hindernis für die Umstrukturierung. Schon das bloße Risiko kann den Unternehmer dazu bewegen, von der Umstrukturierung Abstand zu nehmen. Um das Risiko zu minimieren, kann die Umstrukturierung im Vorfeld mit dem Finanzamt abgestimmt werden.

Auch im Umsatzsteuerrecht und Zollrecht ist es wichtig, die richtige steuerliche und zolltarifliche Behandlung zu kennen, um die Preise zutreffend und kostendeckend kalkulieren zu können. Dazu gibt es eine Zolltarifauskunft, die im Bereich der Zölle verbindlich ist, aber auch für die Umsatzsteuer Bedeutung hat: Ob beispielsweise ein Importeur auf Holzhackschnitzel 7 oder 19 Prozent Einfuhr-Umsatzsteuer zahlen muss, richtet sich danach, wie sie in den Zolltarif eingereiht werden, und das wiederum danach, ob die Holzhackschnitzel aus Holzabfällen oder aus frisch gefällten Bäumen gewonnen werden und wie groß sie sind.

Wirkung der verbindlichen Auskunft

Sobald eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamtes vorliegt, ist das Finanzamt daran gebunden. Wenn der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit dem Sachverhalt übereinstimmt, der der verbindlichen Auskunft zugrunde liegt, kann das Finanzamt nachträglich – in der Betriebsprüfung – seine Rechtsauffassung nicht mehr von sich aus ändern. Insoweit besteht Rechtssicherheit.

Unverbindlich und wertlos

Die verbindliche Auskunft ist allerdings unverbindlich und damit wertlos, wenn das Finanzamt mit der Auskunfterteilung gegen höherrangiges Recht verstößt. Dabei ist insbesondere das Beihilfeverbot der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu berücksichtigen. Das Finanzamt darf einem Unternehmen keine „selektive Beihilfe“ gewähren, indem es zusichert, eine Umstrukturierung auf eine bestimmte Art und Weise zu behandeln, die sich nachträglich als unzutreffend herausstellt.

Kein Vertrauensschutz

Das Beihilfeverbot richtet sich an die Finanzverwaltung, nicht an die Unternehmen. Wenn die Finanzverwaltung eine verbindliche Auskunft erteilt, müsste sie das eigentlich vorab mit der Europäischen Kommission abstimmen. Das geschieht in der Praxis nicht. Dieses Versäumnis geht zulasten der Unternehmen, die sich auf eine verbindliche Auskunft verlassen, wenn das Finanzamt die verbindliche Auskunft später auf Veranlassung der Europäischen Kommission zurücknimmt. Vertrauensschutz wird nicht gewährt.

Siehe auch: http://beihilfen-blog.eu/61-berliner-steuergespraech-verbindliche-auskunft/

Wer sich aufs Finanzamt verlässt …

… kann böse überrascht werden. So etwa ein Kioskbesitzer, für den wir vor dem Finanzgericht tätig geworden sind. Vor vielen, vielen Jahren (bei der Deutschen Bundespost und ihrem Nachfolgeunternehmen) waren Telefonate ins Ausland noch richtig teuer. Eines der ersten Modelle, Wettbewerb auf diesem Markt zu schaffen, war das sog. „Call-Through“-Verfahren. Der Kunde rief eine Telefonnummer eines ausländischen Telekommunikationsunternehmens in Frankfurt an, gab einen Code ein und wurde daraufhin mit dem Gesprächspartner im Ausland verbunden. Unser Kioskbesitzer hatte vor vielen Jahren begonnen, Telefonkarten mit solchen Codes zu verkaufen, und seine Provision aus diesen Verkäufen der Umsatzsteuer unterworfen. Das Finanzamt erklärte 2002 im Rahmen einer Betriebsprüfung, das sei doch gar nicht nötig, wenn überhaupt, sei Umsatzsteuer im Ausland abzuführen. Der Kioskbesitzer freute sich und stellte seine Buchhaltung und seine Kalkulation entsprechend um.

Im Jahr 2013 fand eine weitere Betriebsprüfung statt, diesmal mit gegenteiligem Ergebnis. Das Finanzamt forderte Umsatzsteuer, und der Kioskbesitzer, diesmal weniger erfreut, stellte seine Buchhaltung und seine Kalkulation für die Zukunft erneut um. Das genügte dem Finanzamt aber nicht, es wollte auch für die Vergangenheit Steuern nachgezahlt haben.

Wir haben den Fall geprüft und festgestellt: Die Umsätze sind durchaus steuerpflichtig in Deutschland. Das war nicht ganz eindeutig, aber im Ergebnis hat das Finanzamt 2002 einen Fehler gemacht, den es 2013 korrigieren wollte. Wir meinen, dass sich ein Unternehmer auf eine Auskunft vom Finanzamt verlassen darf – und das Finanzamt sollte solch eine Auskunft nur für die Zukunft widerrufen dürfen, wenn es einen Irrtum erkennt. Dafür haben wir eine Klage beim Finanzgericht erhoben.

Viel Hoffnung machen können wir unserem Mandanten leider nicht. Nach gesetzlichen Regelungen ist eine Zusage im Rahmen der Betriebsprüfung nur dann verbindlich, wenn sie genau geregelte Formvorschriften einhält (§§ 204 ff. der Abgabenordnung). Dass das Finanzamt etwas klar und eindeutig schriftlich niederlegt, reicht dem Bundesfinanzhof üblicherweise nicht aus.