Ein neuer Mandant kam zu uns. Hatte bisher als Arbeitnehmer seine Einkommensteuererklärung selbst gemacht und wollte künftig gewerblich tätig werden. Wir wurden uns schnell einig, dass wir das neue Unternehmen beim Finanzamt anmelden sollten.
Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass der Einkommensteuerbescheid fürs Vorjahr gerade einen Monat alt war. Der Mandant hatte eine Erstattung von 2000 Euro bekommen. Noch am gleichen Tag legten wir Einspruch ein, um einen Investitionsabzugsbetrag für die Unternehmensgründung geltend zu machen. Bei der Gelegenheit beantragten wir außerdem, einen Fehler im Steuerbescheid zu korrigieren. Insgesamt hatte unser Mandant Anspruch auf weitere 1000 Euro Erstattung. Ein paar Tage später hatten wir die Unterlagen zur Anmeldung des Unternehmens vervollständigt und übersandten sie auch ans Finanzamt.
Steuernummer-Chaos im Finanzamt
Man könnte erwarten, dass das Finanzamt in solch einer Situation das Unternehmen steuerlich erfasst und zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen auffordert. Tatsächlich passierte aber zunächst einige Wochen gar nichts. Dafür überschlugen sich anschließend die Mitteilungen:
- Brief von Montag, ohne Verfasser, ohne Durchwahl des Sachbearbeiters und ohne Unterschrift: Wir mögen bitte für den Mandanten nicht mehr die Steuernummer 60 400 12345 verwenden, sondern die Steuernummer 60 200 23456.
- Brief von Freitag, ohne Verfasser, ohne Durchwahl des Sachbearbeiters und ohne Unterschrift: Wir mögen bitte für den Mandanten nicht mehr die Steuernummer 60 200 23456 verwenden, sondern die Steuernummer 60 400 12345.
- Brief vom folgenden Mittwoch, ohne Verfasser, ohne Durchwahl des Sachbearbeiters und ohne Unterschrift: Wir mögen bitte für den Mandanten nicht mehr die Steuernummer 60 400 12345 verwenden, sondern die Steuernummer 60 200 67890.
- Brief von Donnerstag, ohne Verfasser, ohne Durchwahl des Sachbearbeiters und ohne Unterschrift: Der Einkommensteuerbescheid wird ersatzlos aufgehoben.
Säumniszuschläge aus dem Nichts
Auf Anfrage beim Finanzamt, was denn nun an die Stelle des aufgehobenen Einkommensteuerbescheids treten solle, bekamen wir eine elektronische Mitteilung: Es gebe keinen Steuerbescheid mehr. Also auch keinen Rechtsgrund für die bereits ausgezahlten 2000 Euro Steuererstattung. Die müsse der Mandant also wohl ans Finanzamt zurückzahlen. Plus 60 Euro Säumniszuschläge.
Und nun?
Es stellte sich heraus, dass das Finanzamt unserem Einspruch (zutreffend) entnommen hat, dass der Steuerpflichtige betriebliche Einkünfte erzielt. Damit ist die Abteilung für Arbeitnehmer-Einkünfte strukturell überfordert. Die Abgabe in die Abteilung für betriebliche Einkünfte hat nicht funktioniert, also ist die Akte zurückgewandert in die Abteilung für Arbeitnehmer-Einkünfte, daher die ständig neuen Steuernummern. Und irgendwo auf den Fluren des Finanzamtes müssen die Unterlagen zur Anmeldung des Unternehmens verloren gegangen sein. Im Nachhinein betrachtet ein Glück: Kaum vorstellbar, was passiert wäre, wenn der für das Chaos verantwortliche Sachbearbeiter diese Unterlagen bearbeitet hätte …