Bundesfinanzhof erklärt Zinssatz für Säumniszuschläge für zu hoch

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich in einem bemerkenswerten Beschluss vom 22. September 2023, Aktenzeichen VIII B 64/22, festgestellt, dass nicht nur die Zinssätze für Steuernachzahlungen zu hoch sind, sondern dies auch für die Säumniszuschläge gilt. Diese Entscheidung könnte erhebliche Auswirkungen auf die finanzielle Belastung der Steuerzahler und Unternehmen haben.

Hintergrund

Die Frage der Höhe der Zinssätze für Steuernachzahlungen und Säumniszuschläge ist in der deutschen Steuerlandschaft seit langem ein umstrittenes Thema. Die Abgabenordnung (AO) schrieb bisher vor, dass für Steuernachzahlungen ein Zinssatz von 6 % pro Jahr gilt, Säumniszuschläge sind doppelt so hoch. Der BFH hat jedoch festgestellt, dass es ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung gibt.

Verfassungswidrige Zinssätze

Die Entscheidung des BFH basiert auf einem früheren Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Juli 2021. In diesem Urteil erklärte das BVerfG die Zinssätze für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 als verfassungswidrig. Aufgrund einer Fortgeltungsanordnung gelten die 6 % Zinsen nicht mehr für Zeiträume ab dem 1. Januar 2019.

Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit

Der BFH stützt seine Entscheidung auf die Tatsache, dass sowohl der VII. Senat des BFH als auch der V. Senat des BFH nach der Entscheidung des BVerfG ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der festgelegten Höhe der Säumniszuschläge geäußert haben. Diese Zweifel entstehen insbesondere deswegen, weil die Säumniszuschläge nicht nur als Druckmittel zur Zahlung fälliger Steuern dienen, sondern auch als Gegenleistung oder Ausgleich für das Hinausschieben der Steuerzahlung, was als zinsähnliche Funktion bezeichnet wird.

Der BFH erklärt, dass der Umstand, dass Säumniszuschläge sowohl eine zinsähnliche Funktion als auch eine verhaltenslenkende Funktion haben, der Annahme ernstlicher Zweifel nicht entgegensteht. Dies hat zur Folge, dass die Vollziehung der streitgegenständlichen Säumniszuschläge in voller Höhe ausgesetzt werden muss, da keine Teilverfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck der Norm vorliegt.

Berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung

Der BFH erklärt auch, dass die Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung haben. Er betont, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Aussetzung die öffentliche Haushaltsführung negativ beeinflusst. Daher überwiegt das Interesse der Antragsteller an der Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids.

Kein Widerspruch zur Entscheidung des II. Senats des BFH

Die Entscheidung des BFH steht nicht im Widerspruch zu einer früheren Entscheidung des II. Senats des BFH vom 20. September 2022. In dieser Entscheidung wurde die Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer abgelehnt. Der II. Senat des BFH argumentierte damals, dass die Entscheidung des BVerfG hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit von Zinsen nach § 233a AO auch auf Säumniszuschläge nach § 240 AO anwendbar ist. Der VIII. Senat des BFH sieht dies jedoch anders und kommt zu dem Schluss, dass die Rechtsfrage nicht abschließend geklärt ist.

Fazit

Die Entscheidung des BFH zur Höhe der Zinssätze für Steuernachzahlungen und Säumniszuschläge könnte weitreichende Folgen für Steuerzahler und Unternehmen haben. Sie schafft Rechtsunsicherheit und wirft die Frage auf, ob die derzeitigen Zinssätze verfassungsgemäß sind. Es bleibt abzuwarten, wie die deutsche Gesetzgebung und die Gerichte auf diese Entwicklung reagieren werden. In der Zwischenzeit sollten Steuerzahler und Unternehmen die rechtlichen Entwicklungen in diesem Bereich aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen.

Verzinsung von Steuernachzahlungen

Wenn man seine Steuererklärung abgibt und eine Nachzahlung dabei herauskommt, so muss man unter Umständen Zinsen auf die Nachzahlung leisten. Doch wann darf das Finanzamt Zinsen berechnen?

Grundlegendes

Die Verzinsung von Steuernachzahlungen beschränkt sich auf die Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer. Eine Verzinsung bei anderen Steuerarten, beispielsweise der Erbschaftsteuer oder der Grunderwerbsteuer, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Mit der Verzinsung von Steuernachzahlungen möchte der Gesetzgeber einen Zinsvorteil abschöpfen, der entsteht, wenn man seine Steuererklärung zu einem späten Zeitpunkt abgibt.

Beginn der Verzinsung

Eins vorweg: Nicht jede Steuernachzahlung wird verzinst. Denn der Zinslauf beginnt erst 15 Monate nach Ablauf eines Jahres. Für die Steuererklärung 2018 müssen Sie erst dann Zinsen zahlen, wenn der Steuerbescheid nach dem 1. April 2020 vom Finanzamt kommt. Aufgrund von Corona bekommen Sie für die Jahre 2019 und 2020 noch eine zusätzliche Schonfrist. Für 2019 ist der 1. Oktober 2021 maßgebend. Für 2020 der 1. Juli 2022.

Zinsberechnung

Das Finanzamt berechnet die Zinsen auf die Steuernachzahlung. Der Zinssatz beträgt 0,5 % pro vollem Monat. Das entspricht einem jährlichen Zinssatz von 6 %.

 Beispiel: Zinsberechnung 2018

Datum des Steuerbescheids Nachzahlung 1.000 Euro Nachzahlung 10.000 Euro
30. April 2020 5 Euro 50 Euro
30. April 2021 65 Euro 650 Euro

Wie Sie an dem Beispiel sehen, können die Zinsen unter Umständen ziemlich hoch ausfallen. Wenn Sie Ihre Steuererklärung pünktlich einreichen, dann können Sie unnötige Nachzahlungszinsen vermeiden.

Praxistipp

Sollten Sie wider Erwarten doch spät dran sein, dann können Sie bereits vorab einen Betrag an Ihr Finanzamt überweisen. Vorausgesetzt Sie wissen, wie hoch die Nachzahlung ausfallen wird. Damit können Sie eine etwaige Zinsfestsetzung im Vorfeld umgehen.

Aktuelles

In Zeiten der Niedrigzinspolitik dürfte klar werden, dass der gesetzlich festgelegte Zinssatz von 6 % pro Jahr nicht dem entspricht, was der durchschnittliche Bürger an Zinsen erzielen kann, wenn er seine Steuererklärung spät abgibt. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in einem kürzlich veröffentlichten Urteil erkannt.

Ab dem Verzinsungszeitraum 2014 ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die gesetzliche Regelung verfassungswidrig. Allerdings bleibt es bis zum Jahre 2018 bei der Höhe des Zinssatzes von 6 %. Erst ab dem Verzinsungszeitraum 2019 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung bis zum 31. Juli 2022 schaffen. Es bleibt daher abzuwarten, wie hoch der Zinssatz zukünftig sein wird.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Juli 2021, 1 BvR 2237/14

Nachzahlungszinsen: Es kommt auf jeden Tag an

Die Abgabenordnung regelt, dass Steuernachzahlungen verzinst werden. Beispiel Einkommensteuer: Wer die Steuererklärung für 2016 durch einen Steuerberater erstellen lässt, muss dafür sorgen, dass sie spätestens am 31. Dezember 2017 beim Finanzamt eingeht. Das Finanzamt benötigt im Regelfall etwa drei Monate für die Bearbeitung. Darauf ist die gesetzliche Verzinsung abgestimmt: Am 1. April 2018 beginnt der Zinslauf. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Finanzamt im Einzelfall länger oder kürzer für die Bearbeitung der Steuererklärung braucht.

Zinssatz

Die Nachzahlungszinsen belaufen sich auf 6 % jährlich. Allerdings rundet das Finanzamt die Nachzahlungsbetrag auf volle 50 Euro und den Zinslauf auf volle Monate ab. Das führt zu groben Stufen in der Höhe der Zinsen: Ein Steuerbescheid vom 24. April 2018 enthält noch keine Zinsberechnung, weil der angefangene Monat auf Null abgerundet wird. Bei einem Steuerbescheid vom Folgetag unterstellt die Finanzverwaltung allerdings, dass dieser wegen der Postlaufzeit erst am 30. April beim Empfänger ankommt, und berechnet für den ganzen Monat April Zinsen. Die nächste Stufe – Zinsen für zwei volle Monate – wird am 28. Mai 2018 erreicht.

Freiwillige Steuerzahlungen

Wer mit einer Steuernachzahlung rechnet, kann diese freiwillig an das Finanzamt leisten, wenn das Finanzamt die Steuererklärung nicht rechtzeitig bearbeitet. Das lohnt sich, wenn die Nachzahlung sonst verzinst würde: Mehr als 6 % p.a. wird man bei keiner anderen Geldanlage erhalten. Unter Umständen kann es sich sogar lohnen, die Nachzahlung durch einen teuren Kredit zu finanzieren: Wer die Kreditzinsen von der Steuer absetzen kann, zahlt selbst bei 10 % Bankzinsen effektiv weniger als wenn das Finanzamt 6 % Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer, Gewerbesteuer oder Körperschaftsteuer verlangt.

Eine freiwillige Zahlung vor dem 1. April (Beginn des Zinslaufs) kann das Finanzamt genauso behandeln wie eine vom Finanzamt angeforderte Vorauszahlung. Das führt dann dazu, dass Nachzahlungszinsen gar nicht erst entstehen. Wenn das Finanzamt solch eine freiwillige Zahlung nicht als Vorauszahlung behandelt oder wenn die freiwillige Zahlung erst nach dem Beginn des Zinslaufs erfolgt, werden zwar Nachzahlungszinsen festgesetzt, aber gleich wieder erlassen. Dort wird allerdings zugunsten des Finanzamtes auf volle Monate gerundet:

Der Steuerpflichtige zahlt am 2. April 2018 die erwartete Nachzahlung auf die Einkommensteuer 2016. Das Finanzamt verschickt den entsprechenden Bescheid am 25. April 2018 (unterstellte Postlaufzeit: drei Tage plus Wochenende, also Eingang am 30. April 2018). Der Bescheid enthält einen vollen Monat Nachzahlungszinsen für den 1. bis 30. April 2018. Erlassen werden nur Zinsen für den 2. bis 30. April, abgerundet: null volle Monate. Hier hat die freiwillige Zahlung dem Steuerpflichtigen keinerlei Zinsvorteil gebracht. Wenn er nicht freiwillig gezahlt hätte, hätte er sich mit der Nachzahlung sogar noch einen weiteren Monat Zeit lassen können, bis zum 30. Mai 2018.

Nach Betriebsprüfungen

Häufig ist die freiwillige Zahlung sinnvoll, wenn eine Betriebsprüfung zwar abgeschlossen ist, aber die Akten sich in der Finanzverwaltung noch auf dem Weg von der Abteilung „Betriebsprüfung“ in die Abteilung „Steuerveranlagung“ befinden. Dieser Vorgang kann nämlich Monate dauern, während die Zinsen schon laufen. Auch in solchen Fällen muss das Finanzamt Nachzahlungszinsen für volle Monate, die zwischen freiwilliger Zahlung und Wirksamkeit der Steuerfestsetzung liegen, erlassen. Hier hat der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Fall entschieden: Als voller Monat gilt es bereits, wenn die Zahlung im Laufe des 30. beim Finanzamt eingeht und der Steuerbescheid am 29. des Folgemonats wirksam wird. Denn nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird der Zahlungstag in diesem Fall schon als voller Tag gerechnet.

Erstattungszinsen

Umgekehrt ist es bei Steuererstattungen so, dass diese ab Beginn des Zinslaufs zugunsten des Steuerpflichtigen verzinst werden. Der Zinssatz beläuft sich auch hier auf 6 % jährlich, bei gleichen Rundungsregeln für Höhe und Dauer. Wenn kein Verspätungszuschlag und keine Verjährung zu befürchten sind, kann es eine günstige Geldanlage sein, eine Steuererklärung erst spät abzugeben und sich bei erwarteten Steuererstattungen in Geduld zu üben.

BFH, Urteil vom 31. Mai 2017, I R 92/15