Steuerfrei? Das kann teuer werden

Das deutsche Umsatzsteuerrecht stellt eine Reihe von Leistungen steuerfrei, vor allem aus sozialpolitischen Gründen. Sie sind in einem Katalog in § 4 des Umsatzsteuergesetzes aufgeführt. Dazu gehören

  • bestimmte Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (§ 4 Nr. 8, Nr. 10, Nr. 11 UStG),
  • Verkauf von Grundstücken (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG),
  • bestimmte Glücksspielumsätze (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG),
  • langfristige Vermietung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 UStG),
  • bestimmte medizinische Leistungen, Pflege und Betreuung (§ 4 Nr. 14 bis Nr. 17 UStG),
  • bestimmte Leistungen in der Bildung und Erziehung (§ 4 Nr. 21 bis Nr. 25 UStG).

Wohnraummiete begünstigt

Wer eine Wohnung für 1000 Euro im Monat vermietet, darf über die 1000 Euro verfügen, ohne Umsatzsteuer abführen zu müssen. Wäre die Vermietung steuerpflichtig, müsste der Vermieter 1190 Euro (inkl. 19 % Umsatzsteuer) vom Mieter verlangen, um über 1000 Euro verfügen zu können. Der Mieter hätte 190 Euro weniger zum Leben. So begünstigt die Steuerbefreiung die Vermietung von Wohnraum.

Unechte Steuerbefreiung

Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Staat den Verzicht auf Umsatzsteuer auf der einen Seite mit einem Verbot des Vorsteuerabzugs auf der anderen Seite kompensiert. Keine echte, sondern eine sog. unechte Steuerbefreiung.

Vergleichsrechnung

Bei Baukosten von 119.000 Euro hat sich die Wohnung aus dem Beispiel für den Vermieter nach 119 Monaten amortisiert (Finanzierung und Instandhaltung vereinfachend außen vor gelassen). Wie sähe seine Vermögenssituation aus, wenn er diese 119.000 Euro nicht in eine Wohnung, sondern in eine Büroeinheit investiert hätte? Die Büroeinheit kann umsatzsteuerpflichtig vermietet werden (§ 9 UStG).

In diesem Fall hätte der Vermieter sich die Vorsteuer aus den Baukosten vom Finanzamt auszahlen lassen können: 19.000 Euro Zufluss. Und er hätte vom ersten Monat an die Büroeinheit umsatzsteuerpflichtig an einen Unternehmer vermieten können, der bereit ist, dafür 1000 Euro aufzuwenden. Dann hätten Mieter und Vermieter eine Miete von 1000 Euro netto zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Der Mieter hätte 1190 Euro an den Vermieter bezahlt und 190 Euro als Vorsteuer vom Finanzamt erhalten (macht per Saldo 1000 Euro Aufwand), und der Vermieter hätte 1190 Euro vom Mieter bekommen und 190 Euro als Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt (macht per Saldo 1000 Euro Ertrag). Die Büroeinheit hätte sich schon nach 100 Monaten amortisiert, nicht erst nach 119 Monaten.

Steuerpflicht von Vorteil

Die Steuerpflicht ist in der Regel dann von Vorteil, wenn die Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer erbracht werden. Denen ist egal, ob zusätzlich Umsatzsteuer berechnet wird. Denn sie können diese Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.

Steuerfreiheit von Vorteil

Bei Privatkunden ist meist die Steuerfreiheit von Vorteil. Diese sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, so dass in der Regel Bruttopreise vereinbart und gezahlt werden. Hier ist es für den Unternehmer günstig, die Einnahmen in voller Höhe behalten zu dürfen – auch wenn er keinen Vorsteuerabzug auf seine Eingangsleistungen geltend machen kann, spart er damit effektiv 19 % auf seine Wertschöpfung.

Ambivalent: Öffentliche Einrichtungen

Sehr unterschiedlich können die Effekte sein, wenn Leistungen an öffentliche Einrichtungen erbracht werden. Diese können zwar bei Steuerpflicht der Leistungen die Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen. Aber der Staat bekommt die Steuer trotzdem: aus der Kasse des Finanzamtes. Es handelt sich dann bloß um eine Frage der Verteilung staatlicher Mittel, ob diese Steuer bei der öffentlichen Einrichtung ankommt, die sie bezahlen muss, oder nicht. Davon hängt ab, ob der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer auf seine Leistung zusätzlich berechnen kann oder ob sie seine Marge mindert.

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